Natel: Illustration aus «Nerdcore».

«Elite» kommt vom französischen élire, «auswählen», und genau das ist es, was die Eliteschulen dieser Welt tun: Sie bilden aus, sie stacheln den Ehrgeiz an, und sie selektieren rigoros. Von A wie Administration bis Z wie Zirkus: Eine Weltreise zu den renommiertesten Schulen der Welt.

Juilliard School, New York

Ob Musik, Tanz oder Theater: Die Juilliard School in New York, 1905 als Institute of Musical Art gegründet und später nach dem 1919 kinderlos verstorbenen Mäzen Augustus D. Juilliard umbenannt, ist eine Schule von Weltrang. Ein Konservatorium sollte sie sein, amerikanisch zwar, doch denen der Alten Welt ebenbürtig. Heute liest sich selbst die Liste ihrer Studienabbrecher wie ein Who's who: Miles Davis etwa, der Jahrhunderttrompeter, schrieb sich an der «Juilliard» ein, hielt die Jazzclubs von Manhattan dann aber für spannender und brach die Ausbildung ab. Genauso wie drei Semester zuvor der gleichaltrige Saxofonist und Klarinettist Alan Greenspan, der eine Bigband-Tournee dem Schulalltag vorzog. Miles prägte den Jazz, Greenspan die Finanzwelt: Berühmt wurde er nicht als Musiker, sondern als Vorsitzender der US-Notenbank Fed.


Juilliard School, Ecke 65. Strasse und Broadway, New York City. (Bild: Paul Masck, CC BY-SA)

Central Saint Martins College, London

007 Pierce Brosnan, Modeschöpfer John Galliano und Sängerin Sade mögen nicht allzu viel gemeinsam haben, doch zweierlei ist allen drei geläufig: der altehrwürdige Bau des Central Saint Martins College an der Southampton Row in Holborn – und das Wort crit. Es kommt von «Kritik», findet alle paar Wochen statt, ist ein Mix aus Präsentation und Prüfung und bei den Studierenden entsprechend gefürchtet. Von Mode bis Malerei, von Möbeldesign bis Mediengestaltung: Wer eine schlechte crit. hinlegt, hat eine Menge Nachtarbeit vor sich – oder fliegt gleich ganz. Central Saint Martins ist Universität und Nabel der Popkultur zugleich, und die Wege ihrer Alumni sind verschlungen. Pierce Brosnan hatte als Erstes Malerei studiert, doch am Ende war seine wahre Bestimmung die eines Agenten Ihrer Majestät.


Central Saint Martins College of Art and Design, ehemaliges Gebäude, London. (Bild: Entangle, CC BY)

École nationale de cirque, Montréal

Circus ist Latein für «Kreis», und den haben alle Zirkusse der Welt gemein. Ihre Arenen sind rund, damit das Publikum von allen Seiten freie Sicht hat, und weil sich beim Reiten die Zentrifugalkraft für Kunststücke nutzen lässt. Rund ist auch die «Tohu», der Manegenbau der 1981 gegründeten École nationale de cirque in Montréal. Vorbereitungs- und Mittelschulprogramme führen die herausragendsten Talente ins drei Jahre dauernde Vollzeitstudium der Zirkuskünste, von Sprache, Literatur und Philosophie über Zirkusgeschichte, Musik und Anatomie bis hin zum täglichen stundenlangen Zirkustraining: Akrobatik auf dem Boden und in der Luft, Tanz- und Hebefiguren, Balancieren und Jonglieren auf höchstem Niveau. Am Ende der Ausbildung steht das Hochschuldiplom – und eine Artistenkarriere in den grössten Manegen der Welt.


Ecole nationale de cirque, Rundbau TOHU an der rue Jarry, Montreal. (Bild: Jean Gagnon, CC BY-SA)

École Nationale d'Administration, Strassburg

Als Minister im Kabinett de Gaulle war dem Kommunisten Maurice Thorez klar, dass das kriegszerstörte Frankreich nur mit Spitzenkräften in der Verwaltung zu einem neuen Staat werden konnte. Die École Nnationale d'Aadministration (ENA), 1945 gegründet, sollte die Besten der Besten hervorbringen. Bis heute ist die «Concours» genannte Zulassung ein wahrer Spiessrutenlauf. Durchschnittlich 3000 Bewerber nehmen teil; 120 werden am Ende aufgenommen. Wirtschaft und Recht, Führen und Verhandeln, französisch, europäisch, international: In nur zwei Jahren werden die «Enarchen» zu Säulen des Staatswesens geformt. Über ein Dutzend Präsidenten, Premiers und Minister durchliefen die ENA im ehemaligen Kloster Sainte Marguerite in Strassburg. Auch wenn Kritiker einen gewissen ENA-Stallgeruch bemängeln: Gründer Thorez sollte recht behalten.


École nationale d'administration, von den ponts couverts aus gesehen. Strasbourg. (Bild: Rémi Leblond, CC BY-SA)

Staatliche Akademie für Choreographie, Moskau

Die auch als Bolschoi-Ballettakademie bekannte Moskauer Staatliche Akademie für Choreographie ist nicht nur die renommierteste aller Ballettschulen, sondern auch die älteste. 1773 auf Geheiss von Zarin Katharina der Grossen gegründet, bildet die Schule seit jeher einen Grossteil des legendären Bolschoi-Ensembles aus. Bis zu 150 Buben und Mädchen besuchen das Internat, an das eine Bachelor- und Masterausbildung anschliesst – alles auf Russisch, wohlgemerkt. Arabesque, Battement, Croisé – wer aufgenommen werden will, muss das ABC des Balletts von Grund auf beherrschen. Zwar darf per Video an den Vortanzrunden teilnehmen, wer nicht eigens anreisen kann, doch am Ende schaffen es aus den Tausenden Bewerberinnen und Bewerber bloss eine Handvoll ans ersehnte Ziel, das legendäre Bolschoi-Ballett.


Staatliche Akademie für Choreographie, ehemaliges Kaiserlichen Haus der Erziehung, heute Russische Militärakademie, Moskau. (Bild: A. Savin, Art Libre)

Kaospilot, Aarhus

Was eine rechte Wirtschaftsschule sein will, hat Jahrhunderte auf dem Buckel. Eine rechte Schule aber will Kaospilot im dänischen Aarhus, erst 1991 gegründet, nicht sein – eher eine linke: Ihr Gründer Uffe Elbæk führt heute Dänemarks Linksgrüne an. «Wir wollen Studenten nicht bloss fit machen für die Zukunft», sagt Kaospilot, «wir wollen ihnen helfen, sie zu erschaffen.» Kreativität als oberstes Gebot künftiger Chefs, das ist nichts für jedermann: Jährlich werden 35 Studierende aufgenommen. Spielerisch, aber realitätsnah; risikofreudig, aber ausbalanciert; zupackend, aber anteilnehmend: Als Unternehmer und Manager sollen die Absolventen jeden Spagat schaffen. Wie Gründer Elbæk, der einmal Sozialarbeiter war, dann Journalist, Unternehmer, Politiker, Minister – ein Chaospilot der ersten Stunde eben.


Kaospilot, Filmbyen, Aarhus. (Bild: Gardar Rurak, CC BY-SA)

Dieser Text entstand im Auftrag der LGT-Bankengruppe, Vaduz, und ist Ende März 2019 im Magazin «Credo» erschienen.


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