Kodak: Illustration aus «Nerdcore».

Spione sind treu – bloss nicht dem Land, in dem sie leben. Aber es gibt Agenten, die kennen mehr als eine Loyalität: Doppelagenten spionieren gleich in beide Richtungen – für und gegen eine wie andere Regierung. Von Mata Hari bis Kim Philby, von Alfred Redl bis «Bambi»: Ein Ausflug ins Halbdunkel geheimdienstlicher Scharaden.

Mata Hari

«Monsieur, ich danke Ihnen», soll Mata Hari am Morgen des 15. Oktober 1917 dem Leiter ihres Exekutionskommandos zugerufen haben – so will es eine der vielen Legenden, die sich um die legendäre Tänzerin und Kurtisane ranken. Fakten sind: Mata Hari (Malaiisch für «Auge der Morgenröte») heisst tatsächlich Margaretha Geertruida Zelle und ist nicht die Tochter eines indischen Brahmanen, sondern eines niederländischen Hochstaplers. Mit 19 Offiziersgattin auf Java und Sumatra, später Nackttänzerin in Paris, lässt sich Mata Hari 1915 vom deutschen Generalkonsul als Agentin anwerben und horcht schon kurz darauf hohe Militärs für den französischen Geheimdienst aus. Letztlich wohl mit wenig Erfolg: Schon früh kommt der britische Secret Service zum Schluss, dass die Tänzerin zwar unvergleichlich schön, als Spionin vermutlich aber harmlos ist.


Mata Hari (1906).

Alfred Redl

Das Foto zeigt einen ordensgeschmückten Offizier, am Kragen die drei Sterne eines Obersten. Alfred Redl, einer der brillantesten Köpfe des österreichischen Generalstabes, soll ein mysteriöses Leck im «Evidenzbüro» enttarnen, wie der Nachrichtendienst offiziell heisst. Auch andere Stellen ermitteln – zwei Staatspolizisten verfolgen die Spur eines postlagernden Briefs mit Spionageadressen und der stolzen Summe von 6000 Kronen zu einem Unbekannten zurück, der ihnen am 25. Mai 1913 nach wochenlanger Observation des Postamts ins Netz geht. Redl, österreichischer Geheimdienstler und von Russland mit seiner Homosexualität zur Herausgabe militärischer Geheimnisse erpresst, wird anhand eines handschriftlichen Abholscheins eindeutig identifiziert. Auf Befehl des Generalstabschefs erschiesst er sich noch in derselben Nacht.


Alfred Redl (ca. 1907).

Kim Philby

Nicht Geld, sondern tiefste Überzeugung: Harold Adrian «Kim» Philby studiert erst Geschichte, dann Wirtschaft in Cambridge und lässt sich 1934 von der Sowjetunion als Agent anwerben. Dennoch macht der glühende Kommunist Philby Karriere beim britischen Secret Intelligence Service, wird Leiter der antisowjetischen Abteilung, später Verbindungsmann zur CIA – stets im Dienste Stalins. Westagenten, Militärgeheimnisse, selbst die amerikanischen Atombombenpläne: Mit seinen Informationen gilt Philby als einer der Väter der Atommacht UdSSR. Doch im Januar 1963 ist Schluss: In Beirut wird er von einer Bekannten verraten, und hastig organisiert Moskau seine Flucht in den Schwarzmeerhafen Odessa. Im Moskauer Exil versinkt Philby in Selbstzweifeln und im Alkohol. Er stirbt 1988 – das Ende der Sowjetunion erlebt er nicht mehr.


Kim Philby (Porträt auf sowjetischer Briefmarke, 1990).

Aldrich Ames

1994 fliegt Aldrich «Rick» Hazen Ames auf – laut US-Präsident Bill Clinton und CIA-Insidern der womöglich schwerste Spionagefall der amerikanischen Geschichte. Ames hat bei der CIA Karriere gemacht und erhält 1985 den Auftrag, mit seiner Abteilung Sowjetdiplomaten zum Dienst für die USA zu bewegen. Es kommt anders: Stattdessen schafft es Moskau, Ames «umzudrehen». Neun Jahre lang verkauft Ames Informationen über Geheimdienstoperationen an den sowjetischen KGB und dessen russischen Nachfolger FSB, darunter auch die Namen von mindestens zehn CIA-Agenten, die in der Folge enttarnt und hingerichtet werden. Indes: Ames‘ aufwändiger Lebensstil fällt auf – mehrere Millionen Dollar soll er kassiert haben –, und 1994 greift das FBI zu. Als Häftling Nummer 40087-083 sitzt Ames im Bundesgefängnis von Terre Haute, Indiana, seine Strafe ab. Lebenslang.


Aldrich Ames (Jahrbuch der McLean High School, 1958).

Sergej Skripal

Monatelang bleibt der kleine Park am Flüsschen Avon im südenglischen Salisbury für polizeiliche Untersuchungen gesperrt: Am 4. März 2018 sind hier Sergei Wiktorowitsch Skripal und seine Tochter Julia bewusstlos aufgefunden worden, vergiftet mit dem russischen Kampfstoff «Nowitschok». Skripal ist dem britischen MI6 wohlbekannt: Als Moskauer Spion und Geheimdienstoberst hat er russische Agenten zu Dutzenden, wenn nicht zu Hunderten, an die Briten verraten. Im Dezember 2004 wird Skripal vor seinem Moskauer Haus verhaftet und zu 13 Jahren Hochsicherheitshaft verurteilt. Doch die Strafe währt nur bis 2010, als Skripal, zusammen mit drei anderen Spionen, im Zug eines Agentenaustauschs freikommt und sich in Salisbury niederlässt. Der Giftanschlag wird nie vollständig aufgeklärt. Aber alle Spuren führten zu Skripals früherem Arbeitgeber in Moskau.


Zelt der forensischen Spurensicherung über der Bank, auf der Sergej Skripal und seine Tochter Julia aufgefunden wurden. (Bild: Peter Curbishley, CC BY)

«Bambi»

Der Doppelagent «Bambi» ist ein Phantom. Die bekannteste Geschichte, von der «Bild»-Zeitung kolportiert, geht so: Hinter «Bambi» verbirgt sich der Journalist Günter Tonn, der seit 1955 für den KGB spioniert. Was er weitergibt, ist allerdings bloss «Spielmaterial», denn tatsächlich spioniert Tonn für den deutschen Bundesnachrichtendienst die Russen aus. Noch komplizierter: «Bambis» Führungsoffizier Heinz Felfe ist dagegen ein Agent Moskaus; dass «Bambi» umgedreht wurde, ist den Russen bekannt – und egal. Denn «Bambis» Auffliegen fördert Felfes Gegenspionage-Karriere beim BND. Ein dicker Fisch: Bis auch er 1961 enttarnt wird, hat Felfe 15 000 Geheimdokumente weitergegeben, 90 V-Männer des BND und 100 CIA-Agenten enttarnt. Aber «Bambi»? Ob es diesen Scheinagenten tatsächlich gegeben hat, darüber herrscht bis heute Stillschweigen.


«Bambi», ein Scheinagent?

Dieser Text entstand im Auftrag der LGT-Bankengruppe, Vaduz, und ist im Oktober 2019 im Magazin «Credo» erschienen.


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