Spiel des Lebens

ChatGPT und die Furcht vor AI ist in aller Munde: Wenn uns künstliche Intelligenzen das Schreiben abnehmen, wer kann dann in Zukunft noch eigenhändig einen geraden Satz zu Papier bringen? Tatsächlich ist ChatGPT vor allem einmal ein Werkzeug. Ein nützliches zumal, denn der Bot kann nicht nur Texte schreiben, sondern auch programmieren. Mein Prompt «Write a working Game of Life in HTML, CSS and Javascript» brachte auf Anhieb ein funktionierendes Programm zustande, das – mit ein paar CSS-Retuschen und zufälligen Farben – das «Spiel des Lebens» simuliert, das sich 1970 der britische Mathematiker John Horton Conway (1937-2020) ausgedacht hat.

Princeton-Professor Conway entsprach nicht ganz dem kreidestaubigen Klischee. Denn er hatte eine Schwäche: das Spielen. Sein «Spiel für null Spieler», wie er es augenzwinkernd nannte, geht so: Man stelle sich ein unendlich grosses Schachbrett vor. Legt man einen Spielstein auf ein Feld, kann dieser Stein maximal acht Nachbarn haben, dann nämlich, wenn auf jedem umliegenden Feld ebenfalls ein Stein liegt. Conway streute wahllos Steine auf sein Brett und stellte sich dabei vor, jeder sei ein Lebewesen. Die virtuelle Natur sollte drei einfachen Regeln folgen: Ist ein leeres Feld von drei angrenzenden Zellen umgeben, dann entsteht darauf eine neue Zelle. Eine lebende Zelle, die zwei oder drei Nachbarn hat, bleibt am Leben; hat sie nur einen oder aber mehr als drei Nachbarn, geht sie zugrunde, je nachdem an Einsamkeit oder Übervölkerung.


«Life», das «Spiel des Lebens», in weniger als einer Minute programmiert von ChatGPT.

Runde für Runde verändert sich so das Spiel. Nächtelang brütete Conway über seinen Spielsteinen – und entdeckte dabei faszinierende Muster: Figuren, die krabbeln können, Figuren, die sich in die Unendlichkeit ausdehnen – und dann urplötzlich in sich zusammenfallen.

Was Conway davon gehalten hätte, dass eine künstliche Intelligenz sein «Spiel des Lebens» in weniger als einer Minute programmiert, wissen wir nicht. Ich vermute: Es hätte ihn amüsiert.

PS: Diesen Post habe ich selbst verfasst, ohne jede Hilfe durch eine KI.

PPS: Noch.

 
 
 
 
 
 

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Dieser Beitrag über das Spiel des Lebens (mp3) entstand im Auftrag von Radio SRF 2 Kultur und wurde am 15. Juni 2010 in der Rubrik «100 Sekunden Wissen» ausgestrahlt.

 

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