Ptolemäus' Universum

Die Entdeckung eines unscheinbaren Bronzeklumpens in den Überresten eines Wracks aus der Antike zeigt: Die alten Griechen waren in der Lage, analoge Computer zu bauen. Der 2100 Jahre alte Mechanismus von Antikythera war ein leistungsfähiger astronomischer Rechner. Dieser Rechner, so haben jahrzehntelange Forschungen ergeben, war ein handgetriebenes Planetarium mit einem Differenzialgetriebe aus Dutzenden von Zahnrädern, das den Lauf von Sonne und Mond vorausberechnen konnte, dazu die Sonnenfinsternisse, die Mondphasen, die Positionen der Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sowie einen Kalender mit den zwölf Monaten einschliesslich des Vierjahreszyklus der olympischen Spiele.

 


Mechanismus von Antikythera: Wissenschaftlicher Nachbau von Ludwig Oechslin, früherer Direktor des Internationalen Uhrenmuseums in La-Chaux-de-Fonds. (Bild: Beat Weinmann)

Der Mechanismus von Antikythera baut auf einem Planetensystem auf, das später der Mathematiker und Geograph Claudius Ptolemäus (100-160 n. Chr.) zum sogenannten ptolemäischen Weltbild verdichten sollte. Das Theorem stellt die Erde ins Zentrum des Alls und erklärt die sichtbaren Bewegungen der Himmelskörper mit der sogenannten Epizykeltheorie. Nach dieser Theorie bewegen sich die Planeten – zusätzlich zu ihrem Umlauf um die Erde – entlang eines kleinen Kreises, des Epizykels. Nur die Epizykeltheorie vermochte schlüssig zu erklären, weshalb die Planeten auf ihrer ostwärts verlaufenden Bahn zuweilen stillzustehen und sich gar rückläufig zu bewegen scheinen.

«Back to the Greek universe» (6.-8. September 2019, Projektdokumentation im Wiki von Open Data Schweiz)

Das ptolemäische Weltbild ist mit den Erkenntnissen der modernen Physik nicht zu vereinbaren. Als mathematisches Modell aber, das die Himmelsbeobachtungen zu berechnen vermag, ist es erstaunlich konsistent und präzise. Grund genug, das Planetensystem des Ptolemäus in Virtual Reality und mithilfe des Frameworks A-Frame sowie hochauflösender Bilder der Nasa nachzubauen. Ein Klick bewegt das virtuelle Raumschiff um 18 Millionen Meilen in die gewünschte Richtung; ein Klick ganz nach oben ermöglicht einen Überblick, ein Klick ganz nach unten führt zur Erde zurück.

Die Visualisierung ist im Massstab 1:1 Milliarde gehalten; die Planeten sind der Anschaulichkeit halber um den Faktor 100 vergrössert. Dazu sind die Orbit-Zeiten auf das Einmillionfache beschleunigt, die Erdumdrehung um den Faktor 100 verlangsamt. Insgesamt soll das Modell eine Vorstellung von den staunenswerten Errungenschaften der Astronomie im 2. Jahrhundert vermitteln. Das Projekt «Back to the Greek universe» habe ich zusammen mit Cédric Sievi, Pia Viviani und Beat Estermann vom 6. bis 8. September 2019 am 5. Swiss Open Cultural Data Hackathon/mix'n'hack 2019 in Les Arsenaux, Sion, realisiert.

 

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