2. November 2023
Als der griechische Erziehungsminister Spyridon Stais im Mai 1902 im archäologischen Nationalmuseum in Athen aus Interesse einen bis dahin noch nicht näher untersuchten, stark korrodierten Bronzeklumpen zur Hand nahm, passierte das Ungeschick: Ein Stück des Klumpens brach ab – und gab den Blick frei auf ein erstaunlich gut erhaltenes Zahnrad mit nur 1,5 Millimeter hohen Zähnen, wie man es in einem modernen Uhrwerk vermuten würde. Indes, der Klumpen stammte aus dem Wrack eines antiken Beuteschiffs, das ums Jahr 70 v. Chr. in einer Bucht der griechischen Insel Antikythera gesunken und 1900 von Schwammtauchern entdeckt worden war.
Der Mechanismus von Antikythera als digitaler Nachbau.
Ein Präzisionszahnrad aus der Antike, das war für die Wissenschaft ein regelrechter Schock. Heute, 120 Jahre intensiver Forschung später, weiss man: Schon vor 2100 Jahren bauten griechische Astronomen Getriebe mit Dutzenden von Zahnrädern, die den Lauf von Sonne und Mond vorausberechnen konnten, dazu die Mondphasen, Sonnen- und Mondfinsternisse sowie den Kalender mit Schaltjahren und Olympiadenzyklus. (Mein neuer Beitrag im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums und auf Watson.)
Der antike Apparat ist so faszinierend, dass er als Zeitmaschine gar eine Hauptrolle im neuesten Indiana-Jones-Film bekommen hat. Es gibt heute Nachbauten aus Metall, aus Plexiglas, als Software und als App, in Form von Animationsvideos und sogar in Lego Technic. Ich habe den Mechanismus von Antikythera ebenfalls nachgebaut, allerdings erstmals als interaktive 2D-Visualisierung in Form einer Webseite. Der astronomische Rechner aus dem antiken Griechenland für jedermann, zum Erkunden und zum Staunen.